Exklusiv-Interview mit dem Rotenburger Landrat Marco Prietz
Land & Leben: Wir treffen uns hier im Hotel Paulsen in Zeven, damit unsere Leser einmal erfahren, wie es Ihnen nach drei Jahren im Amt geht und auch, wie Sie die allgemeine Situation einschätzen. Erzählen Sie uns doch erstmal, wie die Zeit bisher für Sie war.
Marco Prietz: Als ich anfing, waren wir ja gerade noch im Pandemie-Modus. Das hat natürlich meinen Einstieg nicht gerade erleichtert, sondern tatsächlich erschwert. Meine erste Landräte-Konferenz im Januar 2022 war eine reine Online-Konferenz und dort merkte ich schon, dass wir in einer ganz besonderen Zeit leben und ich sehr schnell fest in den Sattel finden muss. Eigentlich war mein Plan, nach Amtseinführung erst einmal in alle Ämter zu gehen und mich den Mitarbeitern dort persönlich vorzustellen, damit man eine gute Basis für eine fruchtbare Zusammenarbeit schaffen kann. Das war so weder aus zeitlichen noch aus gesundheitlichen Gründen (Masken tragen während des Lockdowns) möglich. Auch die Schulen, Verbände und Vereine wollte ich besuchen, das ging aber erst nach Ende des Lockdowns und wurde nachgeholt. Ich habe aber tatsächlich die ersten Monate meiner Amtszeit hauptsächlich mit dem Corona-Management zugebracht und war sehr froh, ab April 2022 immer mehr in die normalen Alltagsgeschäfte eines Landrats einzutauchen.
Land & Leben: Und dann kam ziemlich nahtlos der Ukraine-Krieg, der Sie sicherlich auch vor nicht geplante Aufgaben gestellt hat?
Marco Prietz: Richtig. Der Angriffskrieg Russlands, der leider drei Jahre später immer noch anhält, hat uns von einem Krisenmodus in den nächsten katapultiert – auch auf kommunaler Ebene, denn allein die explodierenden Energiekosten waren (und sind) sehr herausfordernd. Ich weiß noch, dass ich im Winter 2022 die Duschen in den Sporthallen abstellen ließ und im Kreishaus die Heizungen fast auf Null gefahren wurden – alles, um Energiekosten zu sparen. Mit dem Ukraine-Krieg kam aber auch noch die Inflation, die uns im Kreishaus nach wie vor vor große finanzielle Probleme stellt. Allein 2022 kamen dann über 1.000 Flüchtlinge aus der Ukraine, deren Versorgung mit Wohnraum und Bürgergeld uns sehr fordert. Der einstmals gesunde Haushalt wird aktuell auch dadurch auf eine harte Probe gestellt.
Land & Leben: Wie stellt sich die Haushalts-Problemlage im Detail dar?
Marco Prietz: Alle Landkreise und Städte haben mittlerweile große finanzielle Schwierigkeiten, die nicht ohne weiteres lösbar sind. Wir haben in den letzten Jahren unser Defizit im Jugendamt um 70 % gesteigert, im Sozialamt um 60 % und im Jobcenter um 50 %.
Gerade beim Jugendamt kommen Steigerungen hinzu, die dadurch entstehen, dass es viele kaputte Familien gibt, wo Kinder und Jugendliche außerhalb der Familie betreut und therapiert werden müssen. Die Kosten hierfür werden von unserem Landkreis getragen und nicht vom Staat - und natürlich ist es wichtig, Kinder wohlbehalten aufwachsen zu lassen, ihnen Bildung und Erziehung angedeihen zu lassen, denn sie sind unsere Zukunft. Im Sozialamt haben wir viel mit dem Thema Altersarmut zu tun – diese Entwicklung nimmt aktuell immer mehr Fahrt auf, auch wegen der steigenden Pflegekosten. Zwei Drittel unserer Haushaltsausgaben sind Sozialausgaben (300 Millionen, von insgesamt 450 Millionen Euro) – und das in einem Landkreis mit rund 3,5 % Arbeitslosigkeit. Wir fühlen uns vom Bund, der die grundsätzliche Sozialpolitik macht, schon etwas im Stich gelassen.
Land & Leben: Der Haushalt wird auch durch die verschiedenen großen Bau maßnahmen an unseren Schulen belastet – diese Belastungen dürften Sie aber eher erfreuen – oder?
Marco Prietz: Genau so sieht das aus! Wir haben viel in Bildung investiert, hier sind die drei größten Schlaglichter der Gymnasium-Neubau in Bremervörde und BBS (hier wurden über 90 Millionen Euro investiert), die Sanierung und Erweiterung des Rats-gymnasiums in Rotenburg (30 Millionen Investitionssumme) und der Neubau des Oberstufenhauses in Zeven (24 Millionen
Investitionssumme von Samtgemeinde und Kreis). Auch der Breitbandausbau spielt eine wichtige Rolle bei der Verbesserung unserer Infrastruktur – hier geht es gut voran.
Land & Leben: Uns interessiert auch die private menschliche Seite des Landrats und wir fragen uns, inwieweit Sie überhaupt noch in der Lage sind, ein Privatleben zu führen – immerhin haben Sie ja auch noch eine Frau und zwei Kinder.
Marco Prietz: Normalerweise habe ich eine 6-Tage-Woche und halte mir den Sonntag möglichst ganz für meine Familie frei. Dann versuchen wir, Ausflüge und andere gemeinsame Aktivitäten zu machen – allerdings bin ich schon zu selten zu Hause und das belastet mich schon. Unter der Woche bin ich meist bereits um sieben auf dem Weg nach Rotenburg und normalerweise nicht vor 22 Uhr zu Hause. Die Fahrtzeit nutze ich, um mich auf Termine vorzubereiten und E-Mails abzuarbeiten, da dies im normalen Alltag sonst kaum möglich wäre.
Land & Leben: Trotzdem können Sie sich eine zweite Amtszeit vorstellen, die ja dann nach neuer Gesetzeslage 8 Jahre betragen würde?
Marco Prietz: Ja, trotzdem macht mir die Position als Landrat Spaß! Ich habe mich ja ganz bewusst dafür entschieden und wusste, was da auf mich zukommt - ich habe vorher beim Landkreis Osterholz mit zwei Landräten ganz eng zusammengearbeitet. Es ist spannend und es macht auch viel Freude, denn es gibt auch viele positive und tolle Termine und man kann etwas verändern – dabei fällt mir spontan die dringend nötige Veränderung im Bauamt im Kreishaus ein. Hier sind wir durch personelle Veränderungen und weitere Maßnahmen sehr viel schneller bei der Bearbeitung von Bauanträgen geworden. Im Allgemeinen ist es mir ein Anliegen, die Bürokratie abzubauen und die Verwaltung effektiver und schlanker zu machen – allerdings ist das auch aufgrund der bundesweiten Gesetzeslage nicht einfach.
Land & Leben: Sie haben jetzt hier noch die Möglichkeit, sich direkt an unsere Leser zu wenden und ihnen mitzuteilen, was für Sie wichtig ist:
Marco Prietz: Das mache ich sehr gerne. Mir ist die Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürgern enorm wichtig, denn wir arbeiten für die Bürger unseres schönen Landkreises und wollen wissen, wo der Schuh drückt, oder wo man helfen kann. Genau deshalb biete ich monatlich Sprechstunden an, immer abwechselnd in Rotenburg und Bremervörde sowie Zeven an. Da sind dann immer 6 bis 8 Termine mit Bürgerinnen und Bürgern, die oftmals ganz klare Problemstellungen mitbringen, an denen wir dann arbeiten können, oder die Ursachen klären/ erklären können.
Wichtig ist mir auch die gesundheitliche Versorgung in unserem Landkreis und da habe ich momentan eher ein gutes Gefühl, auch wenn die Gesamtlage in Deutschland, was Krankenhäuser angeht, sicherlich schwierig ist. Aktuell werden 50 Millionen Euro in das Bremervörder Krankenhaus investiert – das würde man nicht tun, wenn es geschlossen werden sollte. Das Rotenburger Krankenhaus wird von einer gemeinnützigen GmbH getragen und ist mit seinen verschiedenen Fachbereichen sehr gut aufgestellt. Die beiden Krankenhäuser sichern verlässlich die gesundheitliche Versorgung unserer Bevölkerung und das wird aus meiner Sicht auch weiterhin Bestand haben. Sehr wichtig ist mir auch noch die Baustelle „Wirtschaft“. Wir müssen dringend etwas dafür tun, den Wirtschaftsmotor wieder anspringen zu lassen. Da tue ich, was ich kann, aber es ist doch eher die Aufgabe der großen Politik, die Konjunktur zu beleben. Wir brauchen dringend eine Bremse bei den Sozialausgaben, das ist so nicht weiter bezahlbar. Und nochmal: die Bürokratie muss abgebaut werden.
Land & Leben: Herr Prietz, wir bedanken uns für dieses Interview und wünschen weiterhin eine glückliche Hand als Landrat unseres Landkreises. (hg)