„KBB Biogas“ startet mit Leuchtturm-Projekt – auch Wasserstoff aus Strom wird hergestellt
In Armsen bei Kirchlinteln steht seit 2011 eine Biogasanlage, die von KBB Biogas GmbH & Co. KG mit Geschäftsführer Gerd Clasen betrieben wird. Hier erfolgen aktuell bahnbrechende Umstellungen, die diese Anlage zu einem Leuchtturmprojekt machen werden. Wir besuchten Gerd Clasen und ließen uns informieren, was genau geplant ist.
Lieferung an virtuelles Kraftwerk
Angefangen hat alles 2011 mit der Inbetriebnahme der Biogasanlage, die damals rund 690 kW elektrische Grundlast produzierte. 2013 kam dann der Beitritt zu „Next Kraftwerke“. Next Kraftwerke vernetzt dezentrale Anlagen der erneuerbaren Energien, Speicherkraftwerke, Power-to-X-Anlagen sowie industrielle und gewerbliche Stromverbraucher und betreibt damit eines der größten virtuellen Kraftwerke Europas, in dem Stromproduzenten, Stromverbraucher und Stromspeicher intelligent vernetzt sind – mit handfesten Vorteilen für alle.
Auf www.next-kraftwerke.de liest man: „Statt weniger Großkraftwerke werden in Zukunft zahlreiche kleine Stromerzeuger unsere Energieversorgung übernehmen: von Photovoltaik und Windkraft über Bioenergie- und KWK-Anlagen bis hin zu Wasserkraftwerken. Diese Vielzahl dezentraler Energieressourcen muss intelligent koordiniert werden, um eine zuverlässige Energieversorgung zu gewährleisten. Genau das macht unser Next Pool in Europa – sowie andere Cleantech-Unternehmen auf der ganzen Welt, die mit Technologie und Know-how von Next Kraftwerke ihre eigenen virtuellen Kraftwerke realisieren.“ Das klingt gut und die Teilnahme macht für KBB Biogas Sinn.
BHKW versorgen knapp 100 Häuser in 145 Haushalten
2014 wurde bei der Anlage noch ein weiteres Blockheizkraftwerk zur Erhöhung der Flexibilität gebaut, und bereits 2015 erreichte die Anlage nach weiteren Ausbauten 2,2 MW elektrische Gesamtleistung. Aktuell arbeiten hier 7 Blockheizkraftwerke mit einer durchschnittlichen Leistung von 1,1 MW. Die 5 Gesellschafter von KBB Biogas, Gerd Clasen (gelernter Landwirt und Agraringenieur) und 4 Landwirte, die die Rohstoffe liefern, sind damit aber noch nicht am Ende. Jetzt werden die Weichen für eine nachhaltige Zukunft gestellt. Dass mit dem Nahwärmenetz in der Ortschaft Armsen mittlerweile knapp 100 Häuser komplett mit Wärme aus der Biogasanlage versorgt werden (Vollversorgung ohne hauseigene Heizanlagen) ist beispielhaft und macht Hoffnung, dass dies Schule macht.
Eine große Mehrheit der Menschen in Deutschland befürwortet den Umgang von fossilen Energieträgern auf erneuerbare Energien, um Treibhausgase zu reduzieren. Wärme über Wärmenetze bereitgestellt und in Verbindung mit Kraft-Wärmekopplung ist unschlagbar hinsichtlich des Treibhausgas-Minderungspotenzials, dieses Potenzial sollte zunehmend genutzt werden.
Umbau auf 100 Prozent Festmist-Betrieb
Viele Biogasanlagen werden zum überwiegenden Teil mit nachwachsenden Rohstoffen wie Mais und zu einem Drittel mit Gülle betrieben. Diese Anlagen sind nachhaltig und tragen erheblich zur Versorgungssicherheit in Deutschland bei. KBB Biogas wird trotzdem einen anderen Weg einschlagen – der Plan ist wie folgt: Die Anlage wird auf 100 Prozent Festmist-Betrieb umgerüstet. Der Festmist besteht aus Pferde-, Rinder- und Geflügelmist und wird von Landwirten aus der Region direkt zur Anlage geliefert. Hier haben die Landwirte den Vorteil, dass kos-tenaufwendige Lagerung des Mists auf dem eigenen Hof/Land entfällt, außerdem erhalten sie im Nachgang flüssiges Gär-Restmaterial, welches sie zur Düngung nehmen und damit nicht mehr auf gekaufte Düngemittel zurückgreifen müssen. Der Geflügelmist ist transportwürdig und wird auch aus den benachbarten Landkreisen bezogen.
Photovoltaik und Windkraft produzieren Wasserstoff
Um den Strom für die Anlage zu produzieren, werden eine PV-Anlage auf 12 ha und ein Windrad geplant. Ein Antrag für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan für PV liegt der Gemeinde seit Ende 2022 vor. Bürger und Bürgerinnen werden sich auch mit kleineren Beträgen an der PV-Anlage beteiligen können.
„Wir hoffen sehr, dass auch dieses Projekt von der regionalen Politik unterstützt wird“, so Clasen. Der hier produzierte Strom soll vorrangig für den Betrieb der zukünftigen Biogasanlage dienen, aber weitere Strommengen werden direkt ins Netz eingespeist.
Damit nicht genug. Gerd Clasen: „Viele Menschen wissen sicherlich, dass aufgrund des schwankenden Bedarfs im Stromnetz oftmals Windanlagen still stehen müssen, das senkt die Effektivität und ist natürlich von Betreiberseite aus nicht gewünscht. Wir verfolgen die Lösung mit der geplanten Wasserstoffanlage basierend auf einem ,Elektrolyseur‘. Dies ist eine Vorrichtung, die Wasserstoff aus Strom produziert, indem Wasser (H2O) mithilfe von Elektrolyseuren und erneuerbarem Strom in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) gespalten wird – ohne direkte Kohlendioxid (CO2)-Emissionen. Der dabei anfallende Wasserstoff wird bei unserem Modell separat vermarktet.
Konkret geplant, die Baggerarbeiten starten in Kürze, ist auch eine Biomethan-Produktion aus dem eigenen Biogas, das direkt ins Netz eingespeist werden soll. Das Biogas wird getrocknet, entschwefelt und das enthaltene CO2 abgeschieden, so erhält man Biomethan. Dieses erneuerbare Äquivalent des Erdgases ist praktisch CO2-neutral: Bei seiner Verbrennung wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie die verarbeiteten Pflanzen während ihres Wachstums gebunden haben.
Grüner Kohlenstoffdioxid fällt damit bei der Veredlung von Biogas zu Biomethan an. Dieser grüne Kohlenstoffdioxid wird in Druckflaschen hoch verdichtet und an die Industrie als begehrter klimaneutraler Rohstoff vermarktet, aber auch die Lebensmittelbranche ist möglicher Abnehmer. Der Sekt, den ich in der Hand halte (siehe Foto), ist mit diesem Kohlenstoffdioxid produziert – beeindru-ckend, oder? Mir liegt besonders am Herzen, in der Bevölkerung mehr Wissen und Akzeptanz für die Gewinnung von Biogas zu schaffen, denn die Möglichkeiten sind immens und können direkt helfen, den Klimawandel zu verlangsamen.“
„Q1“ weiterer Gesellschafter
Gerd Clasen: „Mitte Dezember ist noch ein weiterer Gesellschafter hinzugekommen. Mit der Osnabrücker ,Q1 Energie AG‘ haben wir nun einen großen Partner, der sich in Zukunft deutschlandweit in Sachen Versorgung der Bevö̈lkerung mit Wasserstoff und Biomethan breit aufstellen wird. Das Unternehmen sieht Bio-LNG als ,wesentlichen Baustein zur Dekarbonisierung‘ insbesondere im Schwerlastverkehr. In den kommenden Jahren wolle Q1 alle Standorte des eigenen LNG-Netzes auf Bio-LNG umstellen und bis 2035 ein klimaneutrales Produktportfolio anbieten.“ (hg)
Wir wünschen Gerd Clasen und KBB Biogas viel Erfolg bei der Realisierung dieser ambitionierten Ziele und hoffen, dass Politik und Verwaltung bei den Genehmigungsverfahren Wort halten und schnell arbeiten, denn hier liegt noch ein wesentliches Problem der dringend nötigen Energiewende.
KBB Biogas ist unter der Rufnummer 04238 7883196 in Kirchlinteln zu erreichen und in Kürze wird es auf www.kbb-biogas.de umfassende aktuelle Infos zum Fortkommen des Umbaus geben.