Landwirtschaft Spezial

 

 

++ Artenschutz trifft Landwirte ++ Mehr Wertschätzung nötig ++ Mehr Dialog nötig ++ Innovative Agrar-Technik auf dem Vormarsch ++ Landjugend immer aktiver ++

 

 

Wir leben in einer stark landwirtschaftlich geprägten Region und genau deshalb beschäftigen wir uns auf den folgenden Seiten mit verschiedenen Aspekten rund um unsere Landwirte und die aktuellen Probleme so wie Entwicklungen.

 

 

Mit rund 70.000 Mitgliedern ist das „Landvolk Niedersachsen“ einer der stärksten Bauernverbände Deutschlands, der im Dezember 2022 sein 75-jähriges Bestehen unter dem Motto „75 Jahre gemeinsam stark“ feierte. Ein Jubiläum in turbulenten Zeiten, die es zu überwinden gilt, um weiterhin für eine gute und sichere Versorgung der Bevölkerung mit regionalen Erzeugnissen zu sorgen. Die „Baustellen“ sind vielfältig und werden teilweise kontrovers auf verschiedenen Ebenen gesehen und diskutiert. Wir wollen hier einmal die wichtigsten Punkte aus Sicht der Landwirte aufführen und sprachen mit Alexander von Hammerstein, dem Vorsitzenden des „Landvolk Niedersachsen Kreisverband Bremervörde-Zeven e.V.“.

 

 

Interview mit Alexander von Hammerstein

 

Land & Leben:  Was beschäftigt die Mitglieder des Landvolks Niedersachsen momentan am stärksten?

 

 

Alexander von Hammerstein: Wir haben viele Themen, die uns beschäftigen. Der Wolf ist für unsere Herdentierhalter ein Dauerthema. Hier muss dringend eine politische Lösung gefunden werden. Der große Bürokratieaufwand, den unsere Landwirte täglich erleben, muss dringend verringert werden. Die Roten Gebiete sind besonders in unserem Bereich ein großes Thema. Viele Landwirte wissen nicht, wie sie noch qualitative Erträge erwirtschaften sollen, wenn sie auf diesen Flächen noch weniger düngen dürfen. Außerdem ist seit diesem Dezember die GAP 2023 beschlossen worden. Auch hier gibt es viele umstrittene Inhalte, die unseren Landwirten noch mehr Vorlagen aufbürden. Nach wie vor ist zudem der unrühmliche Auftritt der Schauspieler Hannes Jaenicke und Sky DuMont ein Thema, das uns Landwirte wütend und fassungslos macht. Hier haben wir bereits eine Beschwerde bei der Redaktion des Senders eingereicht.

 

 

Land & Leben: Wie sieht es aus mit dem Bekenntnis zum Tierwohl und den damit verbundenen Änderungen und Kosten?

 

Alexander von Hammerstein: Die Bereitschaft zu mehr Tierwohl ist bei unseren Landwirten sehr groß. Allerdings sind damit auch hohe Kosten verbunden, und in der momentanen Situation ist nicht jeder Landwirt in der Lage, diese Kosten zu stemmen. Denn man muss auch mal ganz ehrlich sagen, dass nicht alle ihre Kosten für das Tierwohl erstattet bekommen.

 

Land & Leben:  Stichwort „Artenschutz“: Ein heiß gehandeltes Thema, das in den letzten Monaten Wellen geschlagen hat. Aus unserer Sicht liegt der Artenschutz vollkommen im Interesse der Landwirte, denn sie wollen ihr Land und die Höfe ja fast immer an die nächs-te Generation weitergeben, und genau da lohnt sich ja der Gedanke nachhaltiger Bewirtschaftung. Totes Land produziert nichts, und damit das Land lebt, wird eine intakte Flora und Fauna benötigt. Es kann also nicht im Interesse der Landwirte liegen, auf Teufel komm raus kurzfristig hohe Erträge zu generieren, sondern eher langfristig für gute

 

Ergebnisse zu sorgen. Nun ist die Gesetzes-lage in Sachen Artenschutz diffizil und für Normalbürger kaum verständlich. Könnten Sie uns einen möglichst einfachen Überblick verschaffen?

 

Alexander von Hammerstein: Auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene gibt es eine Reihe von Verordnungen, die dem Artenschutz dienen sollen. In kurzer Form kann das nicht alles wiedergegeben werden, weil es einfach zu umfangreich ist. Nehmen wir aber als Beispiel die Roten Gebiete. Wir Landwirte leben mit und von der Natur und haben daher am wenigsten Interesse daran, unsere Böden zu „vergiften“. Man muss uns aber auch zugestehen, dass wir durch unsere jahrelange Berufserfahrung wissen, was für unsere Böden gut ist und was nicht.

 

Als weiteres Beispiel möchte ich gerne die EU-Renaturierungsverordnung nennen, die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, dass sie Wiederherstellungsmaßnahmen auf landwirtschaftlich genutzten organischen Flächen, bei denen es sich um trockengelegte Torfmoorflächen handelt, zu ergreifen. Darin wird gefordert, dass bis 2050 durch die eingeleiteten Maßnahmen 70 Prozent dieser Torfmoorflächen wiederhergestellt werden, von denen dann mindestens die Hälfte wiedervernässt sein muss. Wir haben in den Kreisverbänden in unserer Moorregion Landwirtsfamilien, die mittlerweile um ihre Exis-tenz fürchten. Einige ihrer Flächen befinden sich zu 100 Prozent auf Moorboden. Wenn sie 70 Prozent dieser Flächen wiedervernässen müssen, stehen sie vor dem Aus. Hinzu kommt, dass viele in den letzten Jahren in ihre Betriebe hohe Summen investiert haben, die noch auf Jahrzehnte abbezahlt werden müssen. Wenn man aber keine Flächen mehr hat, auf denen man wirtschaften kann, um seine Kühe zu füttern und das Futter teuer einkaufen muss, gelangt man in eine Abwärtsspirale, an deren Ende nur noch die Schließung des landwirtschaftlichen Betriebes steht. Die Wiedervernässung der Moore verlangt eine gesamtgesellschaftliche Lösung. Wie beim Kohleausstieg muss auch die Wiedervernässung von allen getragen und finanziert werden.

 

Wir müssen uns als Gesellschaft langsam wirklich fragen, ob wir das wollen. Wollen wir unsere Ernährungssicherheit aufs Spiel setzen und uns abhängig von anderen EU-Ländern machen, in denen weder auf Tierwohl noch auf Medikamentenabgabe geschaut wird? Ist es wirklich der Wunsch der Bürger, unsere deutsche Landwirtschaft mit ihren qualitativ hochwertigen Lebensmitteln abzuschaffen?

 

Land & Leben:  Könnten Sie uns bitte noch einige Sätze zu den Themen „Schweinehaltung“, „Erntebilanz 2022“ und„Hofläden-Sterben“ liefern?

 

Alexander von Hammerstein: Die aktuelle Lage auf dem Schweinemarkt ist nach wie vor angespannt. Die ASP (Afrikanische Schweinepest) ist leider immer vorhanden und macht uns nach wie vor große Sorgen. Zudem haben die Schweinebauern - wie alle Viehhalter - mit extrem hohen Futterkosten zu kämpfen. Viele Sauenhalter müssten zudem in ihre Ställe investieren, um den neuen gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden. Da sich das für viele nicht rechnet, werden wohl in nächster Zeit einige von ihnen ihren Betrieb aufgeben.

 

Stichwort „Erntebilanz“. In diesem Jahr war es wirklich Glückssache, wie die Ernte ausfiel. Wer das Glück hatte, dass es bei ihm wenigstens ab und zu geregnet hat, konnte noch eine gute Ernte einfahren. Bei den anderen sah es da schlechter aus.

 

Das „Hofläden-Sterben“ sehen wir auch gerade mit großem Bedauern. Wir können nur hoffen, dass die Krise bald vorbei ist.

 

Land & Leben dankt Alexander von Hammerstein für die Beantwortung der Fragen.

 

Nachhaltige Kartoffelproduktion mit Smart Farming

 

Die Kartoffel anbauenden Betriebe in Niedersachsen stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Die Anforderungen der Gesellschaft an die Landwirtschaft haben sich ebenso wie der Handel geändert. Die Betriebe müssen sich an die neuen Bedingungen anpassen. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Düngern soll reduziert werden, Flächen sollen vermehrt dem Biotop- und Artenschutz dienen. Auch die Gewinnung von Arbeitskräften gestaltet sich zunehmend schwierig. „Deswegen brauchen wir zügig neue, insbesondere digitale Techniken und ein vertieftes Verständnis der biologischen Zusammen-hänge“, erklärt Dr. Jürgen Grocholl, Leiter der LWK-Bezirksstelle Uelzen im September auf der „PotatoEurope“ 2022, dem Treffpunkt der europäischen Kartoffelprofis. „Dabei müssen wir die gesamte Produktionskette in den Blick nehmen, von der Sortenwahl über Düngung und Pflanzenschutz bis zur Lagerung und Vermarktung. Die Einzelbausteine müssen zu einem schlüssigen Gesamtsystem des Nahrungsmittels Kartoffel kombiniert werden.“

 

Die Fachleute der Beratungsorganisationen stellten verschiedene schon bewährte und auch noch in der Entwicklung befindliche Möglichkeiten vor, insbesondere aus dem Bereich des Smart Farming. Auf dem Feld wurden die Themen Wahl resistenter Sorten, effiziente Düngung, mechanische Unkrautbekämpfung und mechanische Krautregulierung gezeigt und diskutiert. Die LWK-Fachleute vom PraxisLabor Digitaler Ackerbau zeigten im Demonstrationstruck smarte Techniken wie z. B. die Erhebung von Bestandsdaten per Drohne.

 

Landjugend immer aktiver

 

Die Landjugend ist auch im „Landvolk Niedersachsen“ organisiert und ist gerade zur Schaffung von Perspektiven und zur Durchführung von Aktionen für jüngere Landwirte enorm wichtig. Sie ist in sogenannten Kreisgemeinschaften organisiert. In unserem

 

Verbreitungsgebiet sind das die Kreisgemeinschaften Bremervörde, Osterholz und Rotenburg. Viele einzelne lokale Landjugenden sind auch auf den Social-Media-Kanälen zu finden, wo sie sich rege austauschen und auf ihre Aktionen und Aktivitäten hinweisen. Die Landjugend Börde Sittensen e.V. ist schon lange sehr aktiv, auch bei den Erntewagen-Umzügen, mit der „Börde-Rallye“ und mit gemeinsamen Ausflügen.

 

Hier drei Fragen, drei Antworten an den Vorsitzenden Nico Burfeind

 

Land & Leben: Die Landjugend Börde Sittensen e. V. ist schon lange aktiv. Könnt ihr unseren Leserinnen und Lesern einen kurzen historischen Abriss liefern?

 

Nico Burfeind: Die Landjugend Sittensen hat im Jahr 2020 mit einer Plakataktion und dem Trecker-Gottesdienst ihr 75-jähriges Bestehen gefeiert. Mit der Gründung vor nun 77 Jahren versteht sich die Landjugend der Börde Sittensen als Dachverband ihrer acht Dorfjugenden in der Börde Sittensen. Bekanntheit hat die Landjugend durch ihre damals sehr aktiven Tanzgruppen und dem Sittenser Erntedankfest erlangt. Es gab viele Aktionen in der Geschichte der Landjugend, die noch heute teilweise Bestand haben. So wurden und werden regelmäßig Landjugendbälle, Fahrten zu Veranstaltungen oder gegenseitige Landjugendbesuche abgehalten.Die Landjugend lebt durch die Mitgliedschaft vieler Menschen aus den einzelnen Gemeinden der Börde Sittensen. Hierbei sind bis heute noch viele Generationen als aktive oder passive Mitglieder dabei. Der Vorstand der Landjugend besteht meistens aus mindestens einer Person je Mitgliedsgemeinde. Aktuell haben wir 13 Mitglieder im erweiterten Vorstand und ca. 130 Mitglieder in der Landjugend.

 

Land & Leben:  Die Erntewagen-Parade in Sittensen ist auch dank euch seit Langem bestens besucht und ein Highlight für große und kleine Einwohner unserer Region. Gib bitte einen Einblick, was zur Organisation für euch alles dazugehört.

 

Nico Burfeind: Die Erntewagenparade ist immer das Highlight in unserem Landjugendkalender. Für uns heißt es immer, nach dem Erntefest ist vor dem Erntefest. Die ersten Planungen beginnen hier kurz nach Durchführung im jeweiligen Jahr. Viele Vereine, Institutionen sind hierbei stetig eingebunden, um das Erntedankwochenende mit der Parade durchführen zu können. Hierbei sind wir froh und dankbar, dass wir immer auf Unterstützung der Vereine, Institutionen, Politik und der Verwaltung zählen können. Um hier auch stetig die Parade zu verbessern, sind wir im regelmäßigen Austausch mit unseren Dorfjugenden. Allerdings gehört auch zur Wahrheit, dass die Auflagen und der Verwaltungs-Dschungel immer größer und anspruchsvoller werden.

 

Land & Leben: Stichwort Ernteparty Sittensen. Seit Langem gibt es Wirbel um die (nicht mehr stattfindende) Ernteparty nach dem Umzug in Sittensen. Was könnt ihr uns rückblickend und vorausschauend dazu sagen?

 

Nico Burfeind: Unsere Erntedisco mit Marktzelt am Samstagabend war der Treffpunkt aller Erntewagenbauer. Dort wurde nach monatelangem Arbeiten an den Schmuckwagen das Erntedankwochenende eingeläutet. Leider ist die Aufstellung dieses Zeltes in den letzten Jahren dort nicht mehr möglich gewesen. Wir sind aber optimistisch, dass es in den kommenden Jahren wieder eine Ersatzveranstaltung in Sittensen hierfür geben wird. (hg)