Altes Instrument auf neuen Wegen

Die Klais-Orgel in der Rotenburger Stadtkirche oder wie man mit 2000 Pfeifen Musik macht


Es ist ein Instrument der Extreme: die Orgel in der Rotenburger Stadtkirche. Neben einer Vielzahl spannender technisch-baulicher Details ist sie für Kirchenmusiker Simon Schumacher noch aus vielen anderen Perspektiven extrem: extrem spannend. Mit Begeisterung setzt er sich nicht nur zu Gottesdiensten und ähnlichen Anlässen auf die kleine Bank und bedient Tasten und Pedale der Orgel, die aus dem traditionsreichen Hause Klais (Bonn) stammt. Das historische Gehäuse des Instruments ist aus massiver Eiche gefertigt und entstand im Jahr 1865. Die musikalische Ausstattung wurde im Laufe der Jahrzehnte immer mal wieder modernisiert und erweitert.


Keine Orgel ist wie die andere


„Jede Orgel hat ihr Eigenleben und ihre Eigenheiten. So auch diese“, sagt Schumacher, der seit vier Jahren Kirchenmusiker in der Wümme-Stadt ist. Der aus Nordhessen stammende Musiker studierte zuvor in Lübeck Kirchenmusik und spielt seit mehr als 20 Jahren Orgel.


Zu einer der Eigenheiten der Rotenburger Klais-Orgel zählt, dass sie im Gegensatz zu den meisten Instrumenten dieser Art im Norden vom Klang her eine besondere Betonung auf den Grundtönen hat. Das heißt, die Basstöne tun sich hervor. Insgesamt vermittelt sich dem Zuhörer ein insgesamt satter Wohlfühl-Sound. Simon Schumacher nennt als Vergleich musikalische Kompositionen aus dem Bereich der Werbung oder Filmmusik. Auch die Ergonomie, also die Details der Bedienbarkeit und der alltäglichen Handhabung einer jeden Orgel seien einzigartig. An „seiner Orgel“ sitze es sich sehr gut: „Die Orgel hat eine schöne Position hier auf der Empore.“  berhaupt gefällt Schumacher seine Tätigkeit in Rotenburg gut. Die Kirche als Bauwerk, die Orgel mit ihren 2000 Pfeifen aus Holz oder Metall, die Akustik und der gepflegte Zustand sei ein Ensemble, das man nur als positiv wahrnehmen könne. Neben der klassischen Orgelmusik widmet sich der Organist auch gerne dem einen oder ande-ren Experiment, improvisiert und entlockt dem riesigen Instrument eher ungewohnte, manchmal auch ungeahnte Töne. Dabei stehe Orgel nicht nur für angestaubte, betagte Musikstücke, sondern durchaus auch für Musik, wie sie Zuhörern von Bands wie Pink Floyd, aus Filmen wie Mission: Impossible und Miss Marple oder Liedern von Helene Fischer bekannt sein dürften. Allerdings, so sagt Schumacher mit einem Augenzwinkern, sei nicht bei allen Experimenten Publikum dabei.


„Wie ein sch ner Mittelklassewagen“


Der Kirchenmusiker vergleicht die Orgel gern mit einem Auto: „Wir haben hier einen schönen Mittelklassewagen stehen. Und ebenso wie Fahrzeuge müssen auch Orgeln zur Inspektion und von Zeit zu Zeit gewartet werden.“ Solch eine Wartung ist in absehbarer Zeit wieder fällig, weil die letzte im Jahre 2003 durchgeführt wurde. Dabei wird das komplette, mehrere Tonnen schwere Instrument zerlegt, von Staub und Ruß befreit und wieder zusammengesetzt. Etwa zwei Wochen ben tigen Fachleute dafür. Schlie lich soll jede der Pfeifen, die von über vier Meter hohen Holzpfeifen bis hin zu Metallpfeifen im Bleistift-Format reichen, später wieder an ihrem Platz stehen.


Bei der Gelegenheit könnte das Instrument auch gleich noch ein wenig erweitert werden. Mehrere große Pfeifen an der Rückwand der Orgel könnten installiert werden, die als eine Art riesiger Subwoofer für extrem tiefe Töne sorgen könnten. Das sind bisher allerdings nur Pläne. (fk)